Geheimnissen alter Glashütten auf der Spur
Ein Beitrag von Helga Wagner vom 30.06.2025 (mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier)
Gisela Masurowski forschte jahrzehntelang mit ihrem Mann zu Glashütten im Müritzer Landkreis. Ranger Henry Fritz bereitet eine Tour vor, die auch auf diesen Forschungen aufbaut.
HOHEN WANGELIN / SCHWERIN / KAROW – Gisela Masurowski hütet diese Steine. In ihrem Garten hinter dem Haus schimmern sie, inmitten rot blühender Nelken und üppigem Mauerpfeffer, glänzen blau und braun, grün und gelblich in der Sonne. Es sind Erinnerungen an uralte Glashütten. „Es war eine spannende Zeit“, sagt Gisela Masurowski. Vor mehr als zwei Jahrzehnten war sie mit ihrem Mann Dieter Mombour auf der Suche nach jenen Orten gewesen, in denen im 18. und 19. Jahrhundert Glashütten gestanden haben mussten. Angeregt durch Expeditionen und Zusammenkünfte mit Heimatfreunden und Archäologen um Dr. Ulrich Schoknecht, der damals die Archäologische Gesellschaft für Mecklenburg und Vorpommern leitete. „Es gab ja zunächst so viele Fragen zu beantworten“, sagt sie. Wer waren diese Menschen, die sich in der wald- und sandreichen Gegend ansiedelten, um Glas zu machen und in Form von Flaschen und Gefäßen in alle Welt zu liefern? Woher kamen sie, wie hießen sie, und wie lebten sie?

Die Glashütte bei Karow arbeitete bis 1901 und war damit die letzte funktionierende Glashütte in Mecklenburg. (Postkarte um 1900)
„Viel war zu erforschen“, sagt die Seniorin. „Es war eine günstige Zeit: Das Land, nach dem Dreißigjährigen Krieg verwildert, musste wieder urbar gemacht werden. Die Glasmacher kamen gerade recht. Sie schlugen das Holz für ihre Öfen und brachten auch den verarmten Lehnherren wieder Geld ins Haus. Nach 1700 sind so die meisten Glashütten entstanden. Wenn man so will, waren es die ersten industriellen Anlagen in Mecklenburg. Große Gemeinschaften siedelten sich damals an“, weiß Masurowski. „Mit dem Glasmeister und seinem Vizemeister, den Glasmachern, Glasbläsern, den Fuhrleuten und Aschefahrern. Auch Handwerker wie Schuster, Schneider und Kistenmacher wurden gebraucht, sogar Schmiede, Hirten durften nicht fehlen, und ein Lehrer, der die Kinder unterrichtete. Zu jeder Glashütte gab es übrigens einen Krug und eine eigene Brauerei, die der Vizemeister betrieb.“

In zwei Büchern aus 2008 und 2009 fassten Gisela Masurowski und Dieter Mombour die Ergebnisse ihrer Forschungen zusammen. (FOTO: HELGA WAGNER)
Gisela Masurowski hat noch einmal die Schriften und Bücher hervorgeholt. Natürlich mussten sie damals auch alles, was dazu schon vorlag an Wissen, zur Kenntnis nehmen, sagt sie, aus Ur- und Frühgeschichte, Landschaftskunde und Heimatgeschichtlichem. „Wir hatten viele Kontakte“. Sie lächelt. Ja, sie erinnere sich gern. Sie nennt die Verbindung zu Dr. Ralf Wendt, dem langjährigen Leiter des Freilichtmuseums Volkskunde Schwerin-Mueß, der sich selbst intensiv mit Glashütten beschäftigt hatte. „Was war das für eine interessante Zeit!“ Sie erzählt, wie oft sie beide, ihr Mann und sie, unterwegs waren. Im Landeshauptarchiv in Schwerin studierten sie Lehnakten, Verträge und Dokumente, mussten oft mühevoll Texte aus alter deutscher Handschrift entziffern. Auch in Kirchenbüchern forschten sie, nach den Namen der Glasmacher, suchten nach ihren alten Grabstätten.
Freude über Scherben und Zapfen auf Äckern
„Langsam verdichtete sich so das Bild, wo Glashütten einst gestanden haben mussten“, sagt sie. Es war wohl auch ein Geschenk, dass sie sich beide so für diese heimatkundlichen Forschungen in Mecklenburg interessierten. Beide waren zugezogen aus der Uckermark und arbeiteten in ganz unterschiedlichen Berufen: sie als Zahnärztin und er als Justiziar. „Mein Mann war Spezialist für alte Karten“, verrät sie. „In denen waren manchmal auch schon Glashütten eingezeichnet.“ So machten sie sich nach all den Studien auf den Weg und suchten nach Hinweisen in der Natur, wo es einst Glashütten gegeben haben könnte. „Auf Äckern fanden wir oft Scherben, hell- oder dunkelgrün, manchmal auch Zapfen und mit Glas überzogene Steine oder auch Ziegelschutt. − Es war eine schöne Zeit“, sagt sie. „Alles vorbei, leider.“ Ihr Mann ist vor vier Jahren gestorben. Sie ist jetzt 87.

Waldglasfotos und Erinnerungsstücke, die an alten Glashütten-Standorten gefunden wurden. FOTO: HELGA WAGNER
Acht Jahre haben die beiden an ihren Büchern gearbeitet, die 2008 in der Reihe der Ärchäologischen Berichte veröffentlicht wurden. Es ist ein heimatkundlicher Schatz. Denn Gisela Masurowski und Dieter Mombour beschreiben darin alle erforschten Glashütten im ehemaligen Müritzkreis, an gut 50 Standorten, von Alt Schwerin bis Ulrichshusen und von Boek bis Varchow, illustriert mit Fotos und Karten. „Goldstaub, leider vergriffen“, meinen Heimatkundler. „Es müsste einfach neu aufgelegt werden! Gisela Masurowski und ihr Mann Dieter Mombour gelten als Experten in der Glashüttenforschung“. Naturparkleiter Ralf Koch und seine Stellvertreterin Evelin Kartheuser können es nur bestätigen. Weiß sie es auch? Gisela Masurowski lächelt. „Ach, sagt sie, das ist doch lange her.“ Früher haben sie im manchmal Vorträge zu den Glashütten gehalten. „Aber wer erinnert sich schon noch daran …“
„Na aber, doch etliche von uns“, meint Henry Fritz. Er ist seit fast 20 Jahren Ranger im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide. Und in Sachen Glashütten gern unterwegs. Der 58-Jährige bereitet sich gerade auf die fünfstündige Rad-Tour zu ehemaligen Standorten vor. „Am 15. Juli startet sie am Naturparkzentrum Karower Meiler, gut 40 Kilometer“, sagt er. Er wird fachkundig erläutern. Die Forschungen von Masurowski-Mombour sind natürlich eine Grundlage. Die Tour will gut vorbereitet sein. So will er noch ein paar Stationen abfahren. Schauen, ob die Wege auch passierbar sind. „Es muss ja alles klappen“, sagt er.
Von Karow aus mit dem Fahrrad – zum Mausoleum, dem Karower Friedhof und Kirche, wo es noch Grabsteine von den Glasmeistern Grambow gibt, die die Glashütten von Hahnenhorst hatten. Dann Hahnenhorst. „Das hat schon etwas Besonderes“, sagt er, „ein einzelnes Gehöft weit und breit, einst wohl von denen Von Hahn gegründet, jetzt privat.“ Weiter zu Fuß und gleich in den Wald. Über Brennnesselgestrüpp und Farn, durch ein Dickicht von Lebensbäumen. Wie verwunschen steht die mächtige alte Kastanie im moosbewachsenen Waldboden. Ranger Fritz bückt sich: „Da überall“, sagt er und hält Scherben, mit Glas überzogene Steine, Klumpen geschmolzenen Glases in der Hand. Die Spuren der alten Glashütte, 1735 errichtet.
Diesen Standort haben auch Masurowski und Mombour ausführlich beschrieben. Aber in der Stille der Natur braucht es schon Fantasie, sich vorzustellen, dass es vor fast 300 Jahren hier laut und heiß zuging. Irgendwo standen die mächtigen gemauerten Öfen, rührten die Schmelzer einen Tag und eine Nacht lang Asche und Sand bei etwa 750 Grad. Um das dann auf zirka 1200 Grad zu erhitzen. Dann bekamen die Glasbläser die Schmelze, und es entstanden all die Flaschen für Bier und Branntwein und die Gläser, die auch gern die Apotheker kauften. Die fertigen Gefäße mussten dann möglichst schnell in den Kühlofen. Sorgsam in Stroh verpackt, wurde später das kostbare Gut in Pferdefuhrwerken auf die Reise geschickt, zuckelte man über die schlechten Wege durch die Lande, um es zu verkaufen, auch bis in die Häfen nach Rostock oder Stralsund, von wo aus es in alle Welt verschifft wurde.
Einige Kilometer – bis zum Schild „Alt Hütte“, von Hahnenhorst auf dem Weg Richtung Karow, dehnte sich damals wohl diese Glashütte aus. Auch dort macht Henry Fritz wieder Halt. Unter den Bäumen und im Gebüsch sind erneut gläserne Zeugnisse zu finden. Auch Glashütte werden sie auf der Tour noch anfahren, sagt er. „Der Ort hat es ja schon im Namen. Aber dort im Dorf wird man nichts mehr finden. Ich weiß aber, wo“, sagt er und lächelt. „Diese Glashütte war bis 1901 als die letzte im Betrieb.“

Museumsleiter Dr. Fred Ruchhöft (r.) und Ranger Henry Fritz: Eine große Sammlung von Waldglas-Flaschen ist im Goldberger Heimatmuseum zu sehen. FOTO: HELGA WAGNER
Wer Lust habe, könne sich im Goldberger Heimatmuseum auch einmal eine der größten Sammlungen von Waldglas und der damals produzierten Flaschen und Gläser anschauen, wirbt der Ranger. Ihm selbst habe dort vor allem die enorme Flaschensammlung imponiert. „Eine ganze Wand voll.“ Er sei ja auch ein fleißiger Sammler alter Glasflaschen, aber da könne er nicht mithalten. Am Karower Meiler warten sie dann schon auf ihn. Ein Hilferuf. Henry Fritz soll ein Hornissennest umsetzen. Eigentlich wollte er jetzt die Sternbeobachtungsplätze von Wildwuchs freischneiden. „Aber das wird auch noch“, sagt er.
Die Glashütten-Radtour fand am Dienstag, 15. Juli 2025, (ca. 40 km, 10 bis 15 Uhr) statt und führte zu ehemaligen Glashüttenstandorten, wo es fachkundige Erläuterungen gab.

Eine der größten Sammlungen von alten Waldglasgefäßen ist im Natur-Museum Goldberg zu betrachten. FOTO: HELGA WAGNER
Ein Beitrag von Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide
Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide
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