Frau Holle

Frau Holle mit Federnflug am Frau-Holle-Teich © Marlen Gutschmidt

 

Frau Holle hat sich freundlicherweise bereit erklärt dem Verband Deutscher Naturparke ein Interview zu geben.

Guten Tag, liebe Frau Holle, wie schön, dass Sie sich ausgerechnet jetzt im Winter, Ihrer Hochsaison, Zeit für ein Interview mit dem Verband Deutscher Naturparke nehmen können.

Ich bedanke mich sehr für das Interesse an mir. Wie Sie meinen ja viele Menschen, ich sei nur im Winter fleißig. Letztendlich gestalte ich aber das ganze Jahr über das Wetter. Sie erinnern sich an Blumenwiese, Brote, Äpfel und Schnee in meinem Märchen? Diese stehen symbolisch für alle vier Jahreszeiten.

 

Ach, das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen. Wie überraschend! Ich merke schon, ich hatte vollkommen andere Vorstellungen von Ihren Aufgaben. Und offen gestanden, ich habe auch eine alte, furchteinflößende, hässliche Frau mit großen Zähnen erwartet. Haben die Brüder Grimm gelogen?

Nein, das haben sie nicht. Frau Holle ist halt viel mehr als nur die weltbekannte Märchenfigur. Diese ist sozusagen nur die kleine Spitze des Eisbergs, die ab 1812 in den weit verbreiteten und in vielen Sprachen übersetzten „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm berühmt geworden ist. Meine Vita beginnt jedoch viel früher. In der Zeit der Sesshaftwerdung der Menschheit, in unseren Breiten ab ca. 5.600 vor Christus, begannen die Menschen, nicht mehr der Nahrung hinterher zu ziehen, sondern Landwirtschaft und Viehzucht zu betreiben. Jetzt wurde es für sie überlebenswichtig, dass ihr Handeln Früchte trug. Ihre große Gottheit, die Magna Mater, die Mutter Erde, gewann dadurch an Bedeutung. Sie ersuchten sie um Gunst und Segen für Saat und Ernte, Fruchtbarkeit und Gedeihen. Die Namen variierten regional und im Laufe der Zeit. Aus mir wurde hier in der Region ab etwa 1.000 nach Christus „die Holde“ und später Frau Holle, aber im Wesen bin ich gleich mit vielen anderen Göttinnen Europas. Mit der Christianisierung wurde die Große Göttin vertrieben. Die Geschichten um mich leben aber – auch Dank der Brüder Grimm und anderer Sprach- und Geschichtsinteressierter – als Sagen weiter. Etliche Bräuche haben sich bis heute erhalten. Wenn ich an das Räuchern in den Rauhnächten denke; das erlebt gerade sogar ein kleines Revival. Als Göttin und Sagenfigur wurde ich eher als junges, schönes Mädchen beschrieben. Aber wie beschreibt man die Gestalt der Frau Holle treffend? Ich zeige mich den Menschen der Region gern so, wie Sie mich heute sehen.

Holla, die Waldfee!

Ja, bitte, ich höre….

 

Frau-Holle-Teich im Winter © Marco Lenarduzzi

 

Okay, ich sehe, Sie sind wirklich viel mehr als Märchen. Aber wieso behaupten die Menschen im Geo-Naturpark, dass Sie hier zu Hause seien? Wenn Sie doch europaweit als Göttin verehrt wurden!

Anders als Märchen haben die Sagen einen klaren Ortsbezug. Ich kann Ihnen da die Lektüre der „Deutschen Sagen“ von Jacob und Wilhelm Grimm, aber auch die „Saturnalia“ von Johannes Praetorius oder das Frau-Holle-Buch von Karl Christoph Schmieder ans Herz legen. Da werden Sie erkennen, dass die meisten Sagen auf dem Hohen Meißner spielen. Mein Silberschloss steht dort auf dem Grund des unendlich tiefen Frau-Holle-Teichs, natürlich dem höchstgelegenen stehenden Gewässer weit und breit. Sonntagskinder können da mit etwas Glück meine Silberglöckchen hören. Auf und um den Berg gibt es etwa 15 Orte, an denen ich Geschichte geschrieben habe.

 

Ihre Anhängerschaft hat sich in den vergangenen Jahrhunderten sehr reduziert. Wir sind da derzeit ja eher sehr pluralistisch aufgestellt. Während viele in Ihrer Heimat gerade die Menschwerdung ihres – eher männlich gedachten – Gottes vor über 2.000 Jahren feiern, hat der Glaube für andere gar keine Bedeutung mehr. Was außer Wetter macht man eigentlich als vergessene Göttin den ganzen Tag so?

Wer oder was ist Gott?! Die Menschen meinen immer, eine Antwort darauf zu haben, definieren zu wollen, was sie nicht erkennen können.  Ich habe indes weiter gut zu tun. Ich drehe das Rad des Lebens, den Kreislauf des Jahres, lehre und richte, hege und pflege – wie in all den Jahrtausenden zuvor. Gerade jetzt zwischen den Jahren habe ich wirklich gut zu tun. Auf meiner Wilden Jagd durch die Rauhnächte sammele ich mit meinem Zug die Seelen der Toten ein, die ich in der Badestube auf der Westseite des Hohen Meißners, der Sonnenuntergangsseite, in meinen Berg ziehe. Später erwecke ich die armen Seelen zu neuen Menschen, die dann aus dem Frau-Holle-Teich auf der dem Sonnenaufgang zugewandten Bergseite wieder zu neuem Leben erwachen. Dass die Kinder aus dem Frau-Holle-Teich kommen, wussten Sie doch hoffentlich schon?! Nein? Dann fragen Sie mal die Leute hier! – Früher war das natürlich schöner. Da wussten die Menschen von mir und meiner Wilden Jagd. Um mich gütig zu stimmen, stellten Sie mir in den zwölf Rauhnächten Gaben vor die Tür. Meine geliebten Mohnspeisen, zum Beispiel! Heute werden hier mit Milch und selbstgebackenen Plätzchen allenfalls noch Rentiere abgefüttert.

 

Frau Holle segnend im Mohn © Marlen Gutschmidt

 

Ich habe verstanden. Dann sollte ich Sie besser nicht länger aufhalten. Ich muss dann auch los. Mir fällt nämlich gerade ein, ich wollte ohnehin heute noch einen Mohnkuchen backen. Einen, der perfekt ins Frau-Holle-Land passt. Das Rezept stelle ich unseren Leserinnen und Lesern dann hier im Newsletter in der Rezeptecke vor. Frau Holle, viele Dank für dieses wirklich aufschlussreiche Gespräch. Bleiben Sie uns allen bitte gewogen!

www.naturparkfrauholle.land/frau-holle

 

 

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